Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie – Kein Recht zum Einbehalt von Mietzahlungen

Christoph Stoye, Stephan Bauch-Caspari

Covid-19-Pandemie und ihre (wirtschaftlichen) Folgen

Die Covid-19-Pandemie (SARS-CoV-2-Virus Pandemie) stellt die Bundesrepublik Deutschland in allen Bereichen des Privat- und Wirtschaftslebens vor (bisher) undenkbare Herausforderungen. Wann der Scheitelpunkt der Corona-Pandemie erreicht und damit eine Stabilisierung des Wirtschaftslebens zu erwarten sein wird, ist derzeit nicht absehbar (vgl. Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Drucksache 19/18110, S. 4). Eine Studie des Bundestags aus dem Jahr 2012, bei der eine Epidemie anhand eines neuartigen, dem SARS-Virus nachgebildeten Virus simuliert wurde, ist von drei Infektionswellen über einen Zeitraum von 3 Jahren ausgegangen. Der Scheitelpunkt der ersten Infektionswelle wurde in dieser Simulation nach ca. 300 Tagen erreicht, unter der Voraussetzung, dass die antiepidemischen Schutzmaßnahmen von Tag 48 bis 408 aufrechterhalten bleiben (vgl. Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, Drucksache 17/12051, Anhang 4, S. 61 ff.).

Viele Menschen und Unternehmen erleiden wegen der antiepidemischen Schutzmaßnahmen, insbesondere der behördlich angeordneten Betriebs- und Unternehmensschließungen, existenzgefährdende Einkommens- und Umsatzverluste. Für Mieter und Pächter unter den Betroffenen sind erhebliche Zahlungsschwierigkeiten nicht auszuschließen, insbesondere wenn die Schutzmaßnahmen tatsächlich über einen Zeitraum von einem Jahr aufrechterhalten bleiben. Die zu erwartenden Zahlungsschwierigkeiten werden auch dazu führen, dass Mieter oder Pächter die laufenden Miet- oder Pachtzinsen für Wohn- oder Gewerbeflächen nicht oder nicht rechtzeitig begleichen können werden.

Bei Zahlungsrückständen des Mieters ist der Vermieter im Grundsatz auch während einer Corona-Pandemie berechtigt, das Mietverhältnis außerordentlich fristlos zu kündigen, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist, oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht (§ 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB). Zahlungsrückstände können den Vermieter überdies zur ordentlichen fristgemäßen Kündigung (§ 573 BGB) sowie zur Geltendmachung von Schadensersatz, insbesondere Verzugszinsen und Rechtsverfolgungskosten (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB), berechtigen. Gleiches gilt entsprechend für den Pächter (§ 581 Abs. 2 BGB). Für den aufgrund der Corona-Virus in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Mieter oder Pächter bestehen nach der bisherigen Rechtslage keine Schutzmöglichkeiten gegen die Inanspruchnahme durch den Vermieter bzw. Verpächter, insbesondere kein Minderungsrecht wegen Nichtnutzbarkeit der Miet- oder Pachtsache (a.A. wohl Drygala, der jedoch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verkennt, wonach für die Annahme eines Sachmangels nicht eine „gegen den Betrieb und nicht gegen die Person des Mieters“ gerichtete öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkung zu verlangen sei, sondern, dass die Nutzungsbeschränkungen „auf der konkreten Beschaffenheit der Pachtsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Pächters ihre Ursache haben“, vgl. BGH NJW 2011, 3151, Rz. 8).

Schutzmaßnahmen des Gesetzgebers für Mieter und Pächter

Mit dem am 27.03.2020 verkündeten Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht  („Covid-19-Gesetz“) versucht der Gesetzgeber die wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen der Covid-19-Pandemie u.a. für Verbraucher und Kleinstunternehmer sowie Mieter und Pächter abzumildern.

Für wesentliche Dauerschuldverhältnisse erhalten Verbraucher „das Recht, Leistungen […] bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn dem Verbraucher infolge von Umständen, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) zurückzuführen sind, die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre“ (Art. 5 § 1 Abs. 1 Satz 1 Covid-19-Gesetz), bei Kleinstunternehmern jedoch nur insoweit, wie „das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre“ (Art. 5 § 1 Abs. 2 Satz 1 Corona-Gesetz). Zu wesentlichen Dauerschuldverhältnissen zählt der Gesetzgeber beispielhaft die Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom und Gas oder über Telekommunikationsdienste und, soweit zivilrechtlich geregelt, auch Verträge über die Wasserver- und -entsorgung (BT-Drs. 19/18110, S. 34). Ein Leistungsverweigerungsrecht wird Mietern und Pächtern im Rahmen ihrer Miet- oder Pachtverhältnisse jedoch nicht eingeräumt; diese sind vielmehr ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieser schützenden Regelung ausgenommen (Art. 5 § 1 Abs. 4 Covid-19-Gesetz). Dies bedeutet, dass Mieter und Pächter nach dem Willen des Gesetzgebers die Zahlung der Miet- bzw. Pachtzinsen selbst dann nicht verweigern können, wenn bei Zahlung eine Gefährdung des angemessenen Lebensunterhalts oder der wirtschaftlichen Grundlagen ihres Gewerbebetriebs drohen würde.

Für Miet- und Pachtverhältnisse hat der Gesetzgeber stattdessen lediglich einen bis 30.06.2022 befristeten Ausschluss des Rechts zur außerordentlich fristlosen und ordentlich fristgemäßen Kündigung durch den Vermieter bzw. Verpächter (§§ 543 Abs. 2 Nr. 3, 573 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB) für den Fall vorgesehen, dass „der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht“ (Art. 5 § 2 Abs. 1 S. 1 Covid-19-Gesetz). Der Zusammenhang zwischen Corona-Virus und Nichtleistung ist dabei glaubhaft zu machen (Art. 5 § 2 Abs. 1 S. 2 Covid-19-Gesetz), wobei weder bestimmt ist, zu welchem Zeitpunkt die Glaubhaftmachung zu erfolgen hat, noch ob diese Glaubhaftmachung eine notwendige Bedingung für den Kündigungsausschluss ist. Der Gesetzgeber scheint allerdings davon auszugehen – ohne dies jedoch im Gesetz zum Ausdruck zu bringen –, dass Mieter bzw. Pächter den Zusammenhang zwischen Corona-Virus und Nichtleistung des Miet- bzw. Pachtzinses „im Streitfall“ glaubhaft zu machen haben, mithin nach entsprechendem Verlangen des Vermieters bzw. Verpächters; erst dann sollen Tatsachen darzulegen sein, aus denen sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass seine Nichtleistung auf der Covid-19-Pandemie beruht (BT-Drs. 19/18110, S. 36).

Gefahren für Mieter und Pächter

Das Covid-19-Gesetz verzichtet – neben der Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts – auch darauf, dem Mieter oder Pächter ein Minderungsrecht wegen der Nichtnutzbarkeit der Miet- oder Pachtsache einzuräumen, so dass eine Reduzierung des Miet- oder Pachtzinses wegen dieser Nichtnutzbarkeit ausscheidet. Der Gesetzgeber scheint dabei zu unterstellen, dass ein solches Minderungsrecht auch nicht nach den sonstigen gesetzlichen Regelungen (§ 536 BGB) besteht.

Der Gesetzgeber verzichtet zudem darauf, eine befristete Stundung der Fälligkeit der Miet- bzw. Pachtzinszahlungen anzuordnen, wie dies in Art. 5 § 3 Covid-19-Gesetz für Verbraucherdarlehensverträge vorgesehen wurde.

Der Gesetzgeber erklärt dagegen ausdrücklich, „die zivilrechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches der Fälligkeit und des Verzugs“ unberührt lassen zu wollen, damit „Mieter und Pächter ihre Forderungen weiterhin fristgerecht leisten müssen und bei nicht fristgerechter Leistung gegebenenfalls in Verzug geraten“ (vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 18, 36).

In der Konsequenz bedeutet dies Folgendes:

Zahlen Mieter oder Pächter wegen Zahlungsschwierigkeiten, deren Ursprung in dem Corona-Virus liegt, den für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 geschuldeten Miet- oder Pachtzins nicht oder nicht fristgemäß, droht ihnen zwar nicht die (außerordentliche oder ordentliche) Kündigung ihrer Miet- oder Pachtverträge. Der Vermieter oder Verpächter kann sie jedoch auf Zahlung des Miet- oder Pachtzinses, sowie aufgrund des Zahlungsverzugs auf Zahlung von Verzugszinsen (§ 288 BGB) und sonstigen Schadensersatz (z.B. Rechtsverfolgungskosten) außergerichtlich und gerichtlich in Anspruch nehmen (§§ 535 Abs. 2, 581 Abs. 1 S. 2, 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB). Die Kosten der Rechtsverfolgung und eines Rechtsstreits wären regelmäßig vom Mieter bzw. Pächter zu tragen.

Zusätzlich drohen dem Mieter bzw. Pächter bei Zahlungsverzug auch (potentiell) existenzgefährdende vollstreckungsrechtliche Folgen. Auf der Grundlage eines gerichtlichen Urteils kann der Vermieter bzw. Verpächter zahlreiche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen des Mieters bzw. Pächters durchführen (§ 704 ZPO), z.B. eine Pfändung des Privatkontos oder die Zwangsversteigerung von Gegenständen des Mieters bzw. Pächters, die dem Pfandrecht des Vermieters oder Verpächters unterfallen (§§ 562, 583 BGB). Dabei steht die Möglichkeit des Urkundenprozess zur Verfügung (§ 592 ZPO), so dass ein Urteil auch verhältnismäßig schnell zu erlangen ist. Der Glaube von Mietern und Pächtern, dass sie ihren Zahlungspflichten für den Zeitraum 01.04.2020 bis 30.06.2020 (vorübergehend) nicht nachkommen müssen, könnte zu einem bösen Erwachen in Form eines Gerichtsverfahrens und einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme führen, bei der – zusätzlich zum Verlust der Einkommensquelle – auch der Verlust des (restlichen) Vermögens droht.

Fazit und Empfehlungen

Das Covid-19-Gesetz weist für den Mieter und Pächter gravierende Schutzlücken auf. Das gesetzgeberische Regelungsziel, der Schutz der von antiepidemischen Schutzmaßnahmen Betroffenen vor existenzgefährdenden Folgen des Corona-Virus, wird im Miet- und Pachtvertragsrecht nicht erreicht. Erreicht wird lediglich ein Minimalschutz durch einen (befristeten) Kündigungsausschluss. Es handelt sich beim Covid-19-Gesetz um die Umsetzung einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, so dass die soeben dargestellten Schutzlücken im Miet- und Pachtvertragsrecht weder durch eine entsprechende Anwendung der Regelungen über das Leistungsverweigerungsrecht bei anderen Dauerschuldverhältnissen (Art. 5 § 1 Covid-19-Gesetz), noch der Regelungen über die Stundung bei Verbraucherdarlehensverträgen (Art. 5 § 3 Covid-19-Gesetz) geschlossen werden können. Ob deutsche Zivilgerichte das Ergebnis zumindest über den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu Gunsten der Mieter bzw. Pächter korrigieren, bleibt abzuwarten, dürfte aber als eher unwahrscheinlich anzusehen sein.

Aus rechtsanwaltlicher Vorsicht empfehlen wir Mietern und Pächtern den rechtssichersten Weg zu wählen, namentlich die frühzeitige Aufnahme von Verhandlungen mit den Vermietern oder Verpächtern, um eine für beide Seiten wirtschaftlich tragbare Lösung zu finden, z.B. eine (vorübergehende) Stundung der Zahlungen. Im Idealfall werden diese Verhandlungen bereits vor Auftreten einer wirtschaftlichen Schieflage des Mieters oder Pächters in der Covid-19-Pandemie abgeschlossen. Sollten solche Verhandlungen nicht möglich sein, oder am Widerstand des Vermieters bzw. Verpächters scheitern, empfehlen wir Mietern und Pächtern ihren Zahlungspflichten möglichst fristgemäß nachzukommen, um noch weitreichendere wirtschaftliche Nachteile aufgrund von Gerichtsverfahren oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden. Auf den Kündigungsausschluss sollten sich Mieter und Pächter nur als letzte Möglichkeit verlassen und auch dann nur unter strenger Beachtung der gesetzlichen Anforderungen (Glaubhaftmachung des Zusammenhangs zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung der Miete). Es ist größte Vorsicht geboten, insbesondere im Hinblick auf die zahlreichen Beiträge, „Empfehlungen“ und „Ratschläge“ in sozialen Netzwerken, Blogs, Zeitschriften oder im Fernsehen, welche Mietern oder Pächtern suggerieren, dass die Einstellung der für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 geschuldeten Zahlungen infolge des Covid-19-Gesetzes risikofrei möglich sei. Das Gegenteil ist der Fall.

Wir beraten Mieter und Vermieter, sowie Pächter und Verpächter, zu diesem Themenkomplex gerne und stehen Ihnen jederzeit zur Verfügung.