Mietendeckel beschlossen – und nun?

Marcel Jeske

Nun ist er da – der sog. Mietendeckel. Am 30.01.2020 hat das Berliner Abgeordnetenhaus das bereits im Vorfeld überaus kontrovers diskutierte Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) mehrheitlich beschlossen. Das Gesetz entspricht zum Großteil der Gesetzesvorlage des Berliner Senats vom 28.11.2019 mit inhaltlichen Modifikationen aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen vom 23.01.2020. Mit dem Inkrafttreten durch öffentliche Bekanntmachung ist demnächst zu rechnen.

Was bedeutet das aber nun konkret für MieterInnen und VermieterInnen?

Betroffene Mietwohnungen:

Mit wenigen Ausnahmen sind grundsätzlich alle in Berlin real existierenden Wohnräume betroffen. Die einzig nennenswerte Ausnahme bilden die ab dem 01.01.2014 erstmals bezugsfertig gewordenen bzw. sonst unbewohnbaren und mit erheblichem Aufwand (vergleichbar einem Neubau) wiederhergestellten Wohnräume. Dennoch verbleiben schätzungsweise rund 1,5 Millionen Berliner Wohnungen, die in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen. Der Geltungszeitraum des Gesetzes ist zunächst auf 5 Jahre ab Inkrafttreten des Gesetzes beschränkt (Artikel 4 Abs. 2 MietenWoG).

Regelungsinhalt:

Kerninhalte des Gesetzes sind zum einen die Deckelung der Bestandsmieten (Mietenstopp, Artikel 1 § 3) auf die Höhe der zum 18.06.2019 maßgeblichen Miete (Stichtagsregelung); bei Neu- und Wiedervermietung zwischen Stichtag und Inkrafttreten kommt es auf die in diesem Zeitraum vereinbarte Höhe an. Zwar entfalten gesetzliche Regelungen grundsätzlich erst ab dem Inkrafttreten eines Gesetzes Rechtswirkungen – und damit in einer der öffentlichen Bekanntmachung nachfolgenden Zukunft. Aufgrund der tatbestandlichen Rückanknüpfung auf den Stichtag entfaltet das Gesetz jedoch eine Rückwirkung auf einen bereits vor dem Inkrafttreten liegenden Zeitpunkt. Ob es sich hierbei um eine zulässige Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots handelt, ist jedoch umstritten.

Zum anderen legt das Gesetz verschiedene Obergrenzen für die Höhe der Miete fest. Diese Obergrenzen differenzieren nach Baujahr bzw. erstmaliger Bezugsfertigkeit der Wohnung sowie nach deren Ausstattung; die festgelegten Werte orientieren sich dabei an den Werten des Mietspiegels von 2013 und liegen folglich unterhalb der derzeitigen Mietspiegelwerte. Die Obergrenzen bilden den Maßstab insbesondere für das Verbot überhöhter Mieten sowie für die Frage der Möglichkeit der Umlegung der Kosten von Modernisierungsmaßnahmen (Mietobergrenzen, Artikel 1 §§ 4-7). Danach sind Mieten verboten, soweit sie die maßgebliche Obergrenze um mehr als 20% überschreiten und nicht ausnahmsweise genehmigt wurden (Härtefall, Artikel 1 § 8); um nicht verbotswidrig zu handeln, müssten VermieterInnen demnach eine Absenkung der Miete auf das zulässige Niveau vornehmen – dieses Verbot soll jedoch erst 9 Monate nach Inkrafttreten bestehen (Artikel 4 Abs. 1 Satz 2). Die Festlegung solcher Obergrenzen, insbesondere aber die verbotsbedingte Absenkung von Bestandsmieten ist in Hinblick auf die verfassungsrechtlich verbürgte Eigentumsgarantie nicht unumstritten.

Neben dem Verbot der Vereinbarung und Forderung höherer als den gedeckelten bzw. durch die Obergrenzen vorgegebenen Mieten ist aber auch deren Entgegennahme verboten. Daneben statuiert das Gesetz diverse Auskunfts-, Anzeige- und Mitwirkungspflichten der VermieterInnen (u.a. muss innerhalb von 2 Monaten nach Inkrafttreten unaufgefordert über die Umstände zur Berechnung der Obergrenze Auskunft erteilt werden). Wird gegen diese Verbote und Pflichten verstoßen, werden diese Verstöße als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu EUR 500.000,- geahndet.

Verfahren:

Während Streitigkeiten mit Mietern aufgrund der sog. „Mietpreisbremse“ vor den zuständigen Zivilgerichten auszufechten sind, werden Verfahren nach dem MietenWoG durch Verwaltungsbehörden abgewickelt bzw. sind Klagen – mit Ausnahme der Anfechtung von Bußgeldbescheiden – vor den Verwaltungsgerichten durchzuführen. Dies ist in Hinblick auf die Einlegung von Rechtsbehelfen (einstweiliger Rechtsschutz, Klage) zu beachten.

Geht es hingegen um die Frage, ob und inwieweit das MietenWoG über den Einzelfall hinaus wirksam, insbesondere aber verfassungsgemäß ist, wäre grundsätzlich das Landes- bzw. das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Denn nur diesen Gerichten steht die (generelle) Verwerfungskompetenz bzgl. formeller Gesetze zu. Verfassungsrechtliche Zweifel bestehen dabei nicht nur in Hinblick auf die Zulässigkeit der vom Gesetz vorgesehenen Rückwirkung und der möglichen, verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Verletzung der Eigentumsgarantie sondern vor allem in Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin – können bzw. dürfen die Länder nach dem Grundgesetz also überhaupt eine solche gesetzliche Regelung treffen. Schon vor dem Gesetzesbeschluss wurden mehrere Ankündigungen öffentlich gemacht das Gesetz auf den Prüfstand zu stellen und sowohl vor dem Landes- als auch vor dem Bundesverfassungsgericht entsprechende Verfahren anhängig zu machen – Ausgang ungewiss.